Auf der Suche nach dem authentischen Klang

Wie ein klingendes Symbol weisen uns diese Schriftzüge in Zeitalter musikalischer Größe und Herrlichkeit. Instrumente der Marke Érard sind im 18. und 19. Jahrhundert ein wesentlicher Beitrag der Entwicklung zum modernen Konzertflügel gewesen. Sie führen uns in die Klangwelt der Klassik und Romantik bis hin zum Impressionismus, die Welt Haydns, Beethovens, Mendelssohns, Schumanns, Liszts, Wagners, Chopins, Brahms, Ravels und in die vieler weiterer Komponisten, wurden diese doch in ihrem Schaffen von den Klangperspektiven wie auch den spieltechnischen Möglichkeiten eines Érard tiefgreifend beeinflusst. Die romantische Virtuosität ist ohne die erstmals in einem Érard vorhandene „Doppelte Repetition“ nicht denkbar, denn erst sie ermöglicht es, dass ein und derselbe Ton in schnellster Abfolge hintereinander gespielt werden kann. Lassen wir aber Richard Wagner sprechen, der das Eintreffen eines Érardflügels begeistert mit den folgenden Worten begrüßte: „Der neue Flügel schmeichelte meiner musikalischen Empfindung ungemein, und ganz von selbst geriet ich beim Phantasieren auf die weichen Nachtklänge des zweiten Aktes vom Tristan…“

Was aber macht den unverwechselbaren Klangzauber eines Érards aus, ein Charakteristikum, das sich über Generationen von Instrumenten erhalten konnte? Die parallelsaitige Bespannung ermöglicht zum einen eine für moderne Ohren erstaunliche Klarheit des gesamten Tonspektrums, insbesondere aber eine ungewöhnliche Fokussierung der Basstöne. Zum anderen trägt sie mit ihrem schlanken und doch tragenden modulationsfähigen Ton zu einer Durchsichtigkeit des musikalischen Liniengewebes und zu einer differenzierten Farbigkeit des Klanges bei, die als einzigartig bezeichnet werden können. Die eben genannten Eigenschaften mussten im Zuge der Weiterentwicklung des Pianofortes zum heutigen Konzertflügel in den Hintergrund treten. Diese Entwicklung war dem Wunsch geschuldet, den sich bis zum Ende des 19. Jahrhunderts entwickelnden Riesenorchestern gleichberechtigt entgegen treten zu können sowie die immer großräumiger werdenden Konzertsäle akustisch zu füllen. Die daraus folgende Notwendigkeit der Steigerung des Klangvolumens wurde durch Änderungen der Konstruktion erreicht: Der Einbau der vollständigen Gusseisenplatte, die sich in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts durchsetzende kreuzsaitige Bespannung aber auch die Verstärkung des gesamten Instrumentenkorpus ermöglichten eine ungleich größere Spannung der Saiten. Der daraus resultierende Gewinn an Klanggröße ergab jedoch ein anderes Klangbild als das von den Komponisten der Klassik und Romantik gewollte. So hilft uns der Érard, auf der Suche nach dem authentischen Klang viele der im Konzert dargebotenen Werke so zu hören, wie sie damals wohl geklungen haben könnten. Gegenwärtig sucht die Musikwelt nach neuen Klanggestaltungen. Sollte hier nicht auch der Érard mit seinen Differenzierungsmöglichkeiten ein kongenialer zukunftweisender Partner sein?

Text: Mathias Weber
www.mathias-weber.com